Heinrich Sondermann:

  ... und im Winter Mollenhauer


Die Gemeinde Grevenhagen, seit Jahrhunderten lippische Exklave, wurde mit ihren rund 250 Einwohnern am 1. Januar 1970 Ortsteil der Stadt Steinheim, Kreis Höxter. Während seiner Zugehörigkeit zu Lippe war Grevenhagen zahlreiche Generation lang ein Dorf der Mollenhauer. Nach einer Gewerbetabelle gingen im Jahre 1788 in der Grafschaft Lippe acht Mollenhauer ihrem Handwerk nach, davon sechs im Amt Hörn. Letztere dürften in Grevenhagen ansässig gewesen sein.
Im April und August 1982 hat Heinz Wiemann in Grevenhagen den Maurer und Mollenhauer Heinrich Sondermann (geb. 1912) befragt und seine Ausführungen zu Papier gebracht. Mehrere Hinweise sind dem Grevenhagener Landwirt und Mollenhauer Johannes Bäckeralf (geb. 1910) zu verdanken.


Grevenhagen, einst ein Dorf der Mollenhauer
Von einem Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsordnung, mit Lehrzeit, Lehrbüchern und Gesellenprüfung kann man beim Mollenhauer-Handwerk nicht sprechen. Mein Vater war Maurer und Mollenhauer, mein Großvater war Landwirt und Mollenhauer. Als ich 1927 hier in Grevenhagen aus der Schule kam, wurde ich Maurer und Mollenhauer. Groß auszuwählen gab es da nichts. Das Mollenhauer-Handwerk habe ich bei meinem Vater erlernt, und er wiederum hat es von meinem Großvater beigebracht bekommen. Es wurde vererbt von einer Generation auf die nächste. In anderen Familien war das genauso.
Die Professionisten-Tabelle der Bauerschaft Grevenhagen für das Jahr 1867 nennt folgende Namen und Berufe: Hildebrand (Mollenhauer), Spinnräker (Mollenhauer), Rolf (Mollenhauer), Grote (Mollenhauer), B. R. Grote (Mollenhauer), Schwase (Mollenhauer), Bäckeralf (Mollenhauer), Sondermann (Mollenhauer), Rolf (Zimmermann), Müther (Mollenhauer), Eilert (Mollenhauer), Krähwinkel (Schneider), Rolf (Grützmüller), Müther (Metzger), Joh. Eilert mit Röseler (Schuhmacher), S. Schröder (Mollenhauer), Ant. Micus (Maurer), Aug. Niggemann (Zimmermann). 1868 kommt noch Anton Bäckeralf als Mollenhauer hinzu. Im „Adreßbuch für das Fürstenthum Lippe" aus dem Jahre 1901 stehen aus der Bauerschaft Grevenhagen als Mollenhauer verzeichnet: Anton Rolf, Franz Rolf, Anton Dreier, Josef Schwase, Johann Bäckeralf, Josef Bäckeralf, Johann Sondermann, Clemens Sondermann, Johann Heinekamp, Konrad Sondermann und Johann Rolf. Am Rande sei noch der Böttcher Linus Westfal erwähnt.


Nach meiner Erinnerung waren in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts mit dem Mollenhauer-Handwerk eng verbunden: Josef Bäckeralf (Landwirt und Mollenhauer), Sohn Johannes Bäckeralf (Landwirt und Mollenhauer), Anton Dreier (Landwirt und Mollenhauer), Sohn Franz Dreier (Landwirt und Mollenhauer), Anton Dreier (Maurer und Mollenhauer), Josef Dreier (Sägewerker und Mollenhauer), Anton Eilert (Maurer und Mollenhauer), Franz Eilert (Metzger und Mollenhauer), Johann Heinekamp (Gastwirt und Mollenhauer), Anton Mikus (Maurer und Mollenhauer), Anton Rolf (Landwirt und Mollenhauer), Sohn Josef Rolf (Landwirt und Mollenhauer), Josef Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Sohn Josef Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Johannes Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Sohn Hubert Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Clemens Sondermann (Landwirt und Mollenhauer), Konrad Sondermann (Maurer und Mollenhauer), Söhne Anton (Maurer und Mollenhauer) und Heinrich (Maurer und Mollenhauer).
Um 1930 standen etwa 40 Wohnhäuser in Grevenhagen. Man kann sich leicht ausrechnen, daß etwa in jedem zweiten Haus Tröge, Mollen, Wurfschüppen, Schannen und ähnliche Dinge angefertigt wurden.



Auch in Blomberg wurden Tröge und Mollen hergestellt. Das geschah — bis zum Jahre 1935 — in dem Betrieb des Böttchers und Mollenhauers Wilhelm Saake, Kurzer Steinweg 13. Vor dem benachbarten Gasthof „Alt-Heidelberg" konnte man des öfteren in Augenschein nehmen, was unter den geschickten Händen der Handwerker entstanden war. Das Bild stammt aus dem Jahre 1930.    Foto: Archiv Wiemann



Wenn der Winter kam und es draußen so recht nichts mehr zu tun gab, konnte man sich damals kein Stempelgeld abholen. Es wurden Mollen gehauen. Je nach Witterung ging es so Ende Oktober, Anfang November los, und im März des darauffolgenden Jahres war dann wieder Schluß. Viel verdienen konnte man dabei nicht, aber es war mehr als gar nichts. Der Stundenlohn lag bei 40 oder 50 Pfennigen.


Mollen, Holzfüllen, Wurfschüppen ...
In den Jahren, als mein Vater, mein Bruder Anton und ich zusammenarbeiteten, haben wir in den Wintermonaten jeweils so um die 35 Tröge hergestellt. Die tägliche Arbeitszeit betrug 10 bis 12 Stunden. Sie richtete sich auch nach dem Bedarf der Händler. Wenn sie keinen Vorrat mehr hatten und dringend Nachschub brauchten, wurde eben länger gearbeitet. Mit einem Acht-Stunden-Tag war da nichts zu machen. Da hätte sich die Sache gar nicht gelohnt. Ein Mollenhauer brauchte für die Herstellung eines Troges 15 bis 18 Stunden. Das Spalten des Baumstammes ist in dieser Aufrechnung nicht enthalten.
Als Tröge wurden die großen Mollen bezeichnet, die so um die zwei Meter lang und 60 — 75 cm breit waren. Sie standen in jedem Haus, in dem wintertags ein Schwein geschlachtet wurde. Brennetrog nannte man sie auch, weil der Hausschlachter und seine Helfer in ihnen das geschlachtete Borstentier mit heißem Wasser übergössen, es abbrühten oder „abbrannten", wie man sagte. Nach dem Schlachten diente der Trog als Gefäß zum Einsalzen des Fleisches. Wenn man ihn richtig behandelte, hielt so ein Trog 60, 70 Jahre. Zur guten Pflege gehörte, daß man ihn trocken aufbewahrte und wenn er naß war, nicht der Sonne und dem Wind aussetzte. Dann bekam das Holz Risse, in die das Wasser hineinzog und sie vergrößerte. Wenn ein Trog vor die Tür gestellt und vom Winde umgeworfen wurde, konnte er natürlich aufplatzen.
Etwas kleiner waren die Backetröge, etwa 1,20 — 1,50 m lang und 50 — 65 cm breit. Die Bäuerin bereitete in ihnen den Brotteig zu. Das Kneten der großen Teigmenge war sehr anstrengend. Bis in die zwanziger Jahre hinein, vereinzelt auch noch länger, backten die Leute beispielsweise hier in Grevenhagen ihr Brot selber. Auf dem Hof Bäckeralf steht heute (1982) noch der alte Backofen.




Der noch bestehende alte Backofen - der Hof Bäckeralf musste einem modernen Wohnhaus weichen.
Foto: Thomas Wiedemeier (2009)


In den „Metermollen", rund 40 cm breit, wurde beim Schlachten Wurst gemacht und Wurst transportiert. Während der übrigen Zeit standen sie nicht nutzlos herum. Die Hausfrau brauchte sie zum Wäschewaschen. Halb so lang waren die „Möllekes", die die Bäuerin früher beim Buttern benutzte. Diese Mollen waren zum Auskneten des Wassers aus der frischen Butter besonders gut geeignet. Man nannte sie auch „Fättken", obwohl sie ja in Wirklichkeit keine Fässer waren. Holzlöffel — „Botterleppel" — zum Butterkneten in der Buttermolle waren die kleinsten Gegenstände, die wir hergestellt und verkauft haben. Damit sind wir mit der Aufzählung all dessen, was die Mollenhauer anfertigten, noch längst nicht am Ende. Wir konnten es uns nicht leisten, Holz, in dem keine Molle mehr „drin saß", einfach wegzuwerfen. In großer Zahl und jeweils aus einem Stück haben wir Holzfüllen und Wurfschüppen „produziert". Mit der Holzfülle wurde das Schweinefutter aus dem „Schwuinepott" geschöpft, und wenn die Hausfrau große Wäsche hatte, holte sie damit die Wäschestücke aus dem heißen Wasser des Waschtopfes. Die „Worpschiuten" brauchte man, wenn auf der Deele die Spreu von Korn getrennt werden sollte. Korn und Spreu wurden geworfen. Das Korn flog auf einen Haufen, und die Spreu, die leichter war, blieb zurück. Beim Umsetzen und beim Einsacken des Kornes haben sich die Wurfschüppen ebenfalls bewährt. Ich komme noch einmal zur Wäsche zurück. Die frisch gewaschene Bettwäsche oder das neu gewebte Stück Leinen mußten früher zum Bleichen in die Sonne gelegt und von Zeit zu Zeit mit Wasser besprengt werden. Als Schuljunge in den zwanziger Jahren habe ich oft gesehen, daß man zum Besprengen eine Gieße nahm. Dieses Holzgerät sah ähnlich aus wie eine Wurfschüppe, nur daß die Schaufel schmaler und zur Aufnahme des Wassers tiefer ausgehöhlt war. Ich selber habe keine Gieße mehr hergestellt. Die Gießkanne hat die alte Holzgieße verdrängt.


Die Wäschekloppe, die auch bei den Mollenhauern gekauft werden konnte, war länger im Gebrauch. Wenn die Frauen am Bach die Wäsche ausspülten, war es üblich, das Wasser anschließend mit der Kloppe herauszuklopfen.
Zum Schluß möchte ich noch die Schanne nennen, die wir zumeist auf Bestellung fertigten. Es handelt sich dabei um ein Tragjoch für Menschen. An jede Seite dieses auf die Schulter gelegten Holzes hängte man einen Eimer. Auf diese Weise war es leichter, beispielsweise die Milch von der Weide nach Hause zu transportieren.
Jeder Mollenhauer verstand sich auf die Anfertigung all dieser Gebrauchsgegenstände, spezialisiert hat sich kaum jemand. Schließlich kann man ja aus einem Stamm keine kleinen Mollen heraushauen. Das wäre zuviel Arbeit, und zuviel Holz ginge ungenutzt verloren. Ein Dorfbewohner hat einmal ausschließlich Rührlöffel aus Ahornholz gemacht. Er ist damit aber von der Bezahlung her nicht gut zurechtgekommen.


Händler mit Pferd und Wagen
Verkauft wurde nur gelegentlich an Privatpersonen. In der Hauptsache waren es fahrende Händler, die herkamen und uns die Sachen abnahmen. Einige kamen aus Feldrom. An Namen wie Reineke, Hillermann, Waldmann kann ich mich gut erinnern. Mit Sensen und Schleifsteinen erschien jährlich ein Händler aus dem Sauerland in unserem Dorf. Er kaufte „Fättkes" in größeren Mengen und schickte sie in seine Heimat. Mein Vater und ich hatten es besonders mit dem Mollenhändler Kleine aus dem nicht weit von hier entfernten Oeynhausen zu tun, mit Konrad Kleine, dann mit seinem Sohn Johannes und danach mit dessen Sohn Konrad.
Konrad Kleine jun. war vor ein paar Tagen noch hier und hat sieben „Fättkes" gekauft, die aber nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt werden. Hauptsächlich handelt Konrad Kleine jetzt mit Jägerzäunen und Leitern.
Bei der Festsetzung des Preises ging es nach Anzahl und Qualität. War ein Ast m der Molle, zog der Händler seine Stirn in Falten. Obwohl ein Ast, wenn er richtig festgewachsen ist, die Molle prima dicht hält. Gekauft wurde jeweils in größeren Stückzahlen, da ging dann alles mit weg, ob es gut war oder kleine Mängel aufwies. Preislisten oder so etwas ähnliches gab es nicht. Man mußte sich handelseinig werden. Und meistens klappte das auch. Es kam auch schon einmal vor, daß ein Händler sagte: „Für den Preis kann ich die Mollen nicht kaufen." Und dann fuhr er zum nächsten Mollenhauer.
Die Händler waren in den zwanziger und dreißiger Jahren noch mit Pferd und Wagen unterwegs. Entsprechend war ihr Absatzgebiet bemessen. Kamen sie aus der Nähe, so verkauften sie hier im Umkreis von etwa 30 Kilometern, also bis nach Höxter und Paderborn und ins Lippische hinein. Händler aus dem warburgischen Raum brachten die Mollen.dort an den Mann. Sie fuhren von Haus zu Haus, waren aber ganz besonders darauf angewiesen, die Mollen und Holzfüllen auf den Jahrmärkten anzubieten. Viele Bauern verließen sich darauf, auf dem Jahrmarkt den Stand des Mollenhändlers anzutreffen und aus einem großen Angebot auswählen zu können.
Auch ein Grevenhagener hat sich als Händler betätigt. Das war ein ehemaliger Schäfer. Mit Pferd und Wagen, im Winter mit dem Pferdeschlitten, fuhr er bis nach Soest. Sonntags chauffierte er den Pastor von Sandebeck nach Grevenhagen, von Grevenhagen nach Erpentrup und von Erpentrup zurück nach Sandebeck.


     


Mollenhauer Konrad Sondermann mit seinen Söhnen Anton und Heinrich in Grevenhagen bei der Arbeit. Um 1930 (links).    Foto: Archiv Wiemann Wilhelm Wiemann in Horste, ursprünglich Tischler und Zimmermann von Beruf, hat in der Nachkriegszeit mit der Mollenhauerei begonnen. „Abgeguckt" hatte er sich die Sache bei dem alten Pivitsheider Mollenhauer Weber. Fotografiert wurde er im August 1959 beim Bearbeiten eines Brennetroges mit der Axt. Wilhelm Wiemann ist 1978 verstorben (rechts). Fotos: Wiemann


Pappeln, Weiden, Buchen
Im Herbst, wenn die Bäume ihr Laub verloren hatten, wurden einige Pappeln und Weiden an den Bachläufen der Umgebung gefällt. Würde man die Bäume im Frühjahr schlagen, wenn sie voller Saft sind, würde das Holz stark nachdunkeln. Die Stämme mußten in den folgenden Wochen gleich verarbeitet werden, weil sich das Holz dann leichter behandeln ließ. Austrocknen konnte es später als fertige Molle oder Fülle.
Die Bauern waren froh, wenn sie den einen oder anderen Baum verkaufen konnten. Das Festmeter kostete vor dem Krieg rund 40 Mark, und in dem Preis war der Transport enthalten. Das Fällen übernahmen wir am liebsten selber. Mit Axt und Säge gingen wir dabei vorsichtig zu Werke, damit der Stamm unten nicht aufplatzte. Eine ausgewachsene Pappel mit einem unteren Durchmesser von 80 cm war gut für sechs bis acht Brennetröge.
Weiden- und Pappelholz ist weich und leicht, das Holz der Weide noch leichter als das der Pappel. Was außerdem wichtig ist: Beide, Pappel und Weide, lassen sich gut spalten. Wurf-schüppen habe ich aus Buchenholz hergestellt. Es ließen sich auch Buttermollen aus diesem Holz machen. Bei dem Rohmaterial mußte es sich allerdings um einen ansehnlichen Buchenstamm von etwa einem Meter Durchmesser handeln. Er mußte „achtklüftig" sein, sonst platzte das Holz. „Achtklüftig" bedeutet, daß über Kreuz und dann noch einmal oben und unten parallel zur Querrichtung gespalten werden konnte.



    

Auf der Ziehbank sitzend, glättet Heinrich Sondermann (Grevenhagen) die Außenseite einer kleinen Molle mit dem Ziehmesser. Die Unebenheiten im Inneren werden mit der Dechsel beseitigt. (April 1982)  Fotos: Wiemann

Mit Axt und Säge
Sobald die Stämme auf dem Hof beim Haus bereitlagen, trat die Säge in Tätigkeit, um sie auf die jeweils benötigte Länge zu zerkleinern. An eine Motorsäge dachte damals noch niemand. Johannes Bäckeralf hat 1965 zum ersten Male eine solche Säge eingesetzt, um die Stämme „auf Länge" zu schneiden und auch zu „spalten". Er spricht von einer erheblichen Arbeitserleichterung. Ich habe bis heute noch nicht mit einer Motorsäge gearbeitet. Waren aus dem Stamm Stücke zu 1,80 m bis zu 2 m oder zu einem Meter Länge entstanden, ging es an das Spalten. Von einer Schnittfläche aus wurden längs des Durchmessers Keile in das Holz getrieben. Es handelte sich um Keile aus trockenem Buchenholz, die wir selbst angefertigt hatten. Als „Schlaginstrument" benutzten wir die Axt mit ihrem stumpfen Ende. Hätten wir Eisenkeile genommen, wäre die Axt zu leicht beschädigt worden. Zum Spalten eines für zwei Brennetröge vorgesehenen Stammes waren so ungefähr acht Keile nötig. Wenn sich das Holz nicht einfach spalten ließ, legten wir auch zwei Keile aufeinander und trieben sie hinein. Gelegentlich war es erforderlich, mit einem großen Keil von oben her für den Rest zu sorgen.
Die beiden Hälften behielten ihre Rinde, damit sie bei der weiteren Bearbeitung besser am Boden hafteten und nicht dauernd wegrutschten. Nur an den Rändern entlang wurde ein etwa 10 cm breiter Streifen Rinde entfernt.
Eine gute Portion Erfahrung und eine geübte Hand gehörten zum Aushauen schon dazu. Schließlich sollten die Stammhälften ja nicht einfach ausgehöhlt werden. Es kam darauf an, das Holz so herauszuhauen, daß aus dem „Kernstück" eines Brennetroges noch eine Metermolle und aus dem „Abfall" der Metermolle noch eine Buttermolle entstehen konnte. An einem Ende wurde also der im Entstehen befindliche Brennetrog etwa einen halben Meter und am anderen Ende etwa 20 cm breit mit Hilfe der sehr scharfen Axt ausgehöhlt. Von dem großen Loch aus trieb man, im Halbrund angeordnet, ca. acht Zentimeter von der Außenwandung entfernt, Keile in das Holz. Längs der beiden Längsränder halfen wir mit Holzhammer und Stemmeisen nach. In gleicher Weise wurde dann bei dem Heraushauen des Holzes aus der Metermolle für das 40 bis 50 cm lange „Butterfättken" verfahren. Auch aus dem Rest stellten wir praktische Dinge her. Es durfte so wenig Holz wie möglich zu Abfall werden. Zurück zum Brennetrog! Seine Innenwand wurde jetzt, soweit es ging, mit der Axt bearbeitet. Überflüssiges Holz verschwand; die Rundungen mußten möglichst glatt zum Vorschein kommen. Das war eine Sache des Gefühls. Wir benutzten Äxte mit abgerundeten Schneiden, die äußerst scharf sein mußten. Der Trog sollte seiner endgültigen Form so nahe wie möglich kommen, damit die späteren Feinarbeiten nicht zu viel Zeit und Mühe in Anspruch nahmen. Mit der Axt wurden auch die äußeren Abrundungen an beiden Enden geschaffen und die Haltegriffe herausgearbeitet. Schließlich ging es mit dem gleichen Werkzeug der Rinde „an's Leder". Das alles geschah draußen, und wenn man richtig in Fahrt war, merkte man die Kälte des Winters nicht. Für die Feinarbeiten zogen wir allerdings die wärmere Deele oder eine Werkstatt vor.

Mit Dechsel und Ziehmesser
Ob großer Trog oder kleines „Mölleken": sie erhielten mit Dechsel und Ziehmesser ihren letzten Schliff. Das geschah innerhalb des Hauses. Und dazu wurde der Brennetrog auf zwei dafür hergerichtete Holzböcke gesetzt. Dort konnte er sich kaum bewegen. Für die kleineren
Mollen reichte

                              


Haueisen, bzw. Dechsel und Ziehmesser    Fotos: Rüngener


ein Holzklotz. Die „Möllekes" ließen sich zur weiteren Bearbeitung mit dem Ziehmesser auf einer Ziehbank — wie sie auch die Böttcher benutzten — festsetzen. Andernorts sagte man auch Zugmesser und Zugbank.
Dechsel wie Ziehmesser mußten in verschiedenen Größen vorhanden sein. Die Dechsel — wir sagten hier meist „Deißel" — ist ein quergestelltes Beil besonderer Art mit einem kurzen Stiel. Sie hat auch Ähnlichkeit mit einer Hacke. Die Schneide ist messerscharf. Die kurzstielige „Hacke" ist entweder an ihren Seiten oder insgesamt nach innen gebogen. Solch eine „Deißel" zu schmieden, war schon eine Kunst für sich. Und nicht jeder Dorfschmied hatte den Bogen heraus. Der Schmied Hoffmeister in Langeland war auf diesem Gebiet ein Könner. Mit der Dechsel wurden die letzten Unebenheiten aus der Molle herausgehauen. Dafür genügten in der Regel zwei „Durchgänge". Meist hatte man ja mit der Axt schon gut vorgearbeitet. Der Brennetrog wies zum Schluß eine Wandung von rund 3 cm Stärke auf. Wir haben hier aber nie mit dem Zentimetermaß hantiert. Man mußte ein gutes Augenmaß haben. Die Wandungen der „Fättkes" waren natürlich dünner, manchmal so dünn, daß man fast hindurchschauen konnte, wenn man sie gegen das Licht hielt und das Holz noch „grün" war. Außen wurden die Mollen mit dem Ziehmesser geglättet.
Zum Schluß haben wir die Oberkanten der Endrundungen an den Mollen und Trögen mit Bandeisen beschlagen, um ein Reißen des Holzes zu verhindern. Eine weitere Behandlung fand nicht statt. Die Leute taten aber gut daran, ihren neuen Trog innen mit Firnis zu streichen. Wenn nämlich beim Einsalzen des Fleisches die Salzlake in das Holz ziehen konnte, war das Salz nicht wieder herauszubringen, und das leichte Pappelholz wurde schwer wie Buchenholz.


Hier möchte ich noch ein paar Sätze eines Berichtes über die Arbeit zur Zeit der Großväter anfügen: „Nun darf man nicht glauben, daß die Gilde der Mollenhauer schon mit Einbruch der Dunkelheit Feierabend machte, im Gegenteil. Während die Hausfrau am surrenden Spinnrad sitzt, die Mädchen den Strickstrumpf zur Hand nehmen und die Buchensplieten im alten Kachelofen knistern, rücken die Männer ins Lampenlicht um den großen Tisch in der Stube, und in dieser Heimseligkeit der langen Winterabende entstehen die kleineren Mollen und die mannigfaltigen Holzlöffel, Kellen, Scheffel, Schaufeln, Formen und weiß was für brauchbare Dinge, die uns überall im Haushalt und in der Landwirtschaft begegnen. Diese kleinen Teile werden vorwiegend aus dem ,Abfallmaterial gefertigt.. ."


Ein Handwerk ohne Zukunft
Die Benutzung des Holzes zur Anfertigung von Gefäßen geht nach den erhaltenen Funden auf germanischem Boden bis in die jüngere Steinzeit zurück. So gesehen ist das Mollenhauer-Handwerk um die 5000 Jahre alt. Es hat aber keine Zukunft. Nach dem 2. Weltkrieg stiegen die Holzpreise stark in die Höhe. Johannes Bäckeralf, Anton und Josef Rolf und ich waren hier in Grevenhagen so ziemlich die einzigen, die noch Tröge und Mollen hergestellt haben. Und das auch nur in kleiner Stückzahl. Einmal hält so ein Trog bei guter Pflege ja rund siebzig Jahre, und die Kunden waren noch versorgt, zum anderen ging die Zahl der Hausschlachtungen besonders in den sechziger Jahren stark zurück. Johannes Bäckeralf hat hier in Grevenhagen im Winter 1979 den letzten Brennetrog aus dem Stamm einer Pappel herausgehauen. Der Baum stand seinem Besitzer im Wege.
In den Haushalten wird seit langem nicht mehr „gebuttert", und auch das Wäschewaschen geschieht nach anderen Methoden. Zinkwannen und später Plastikgefäße trugen weiter dazu bei, Produkte der Mollenhauer aus den Haushalten zu verdrängen. Es ließen sich noch mehr Gründe für das Aussterben des alten Mollenhauer-Handwerks anführen. In den wenigen „Fättkes", die ich noch fertigte, werden heutzutage Blumen angepflanzt, und meine Holzfüllen werden als nostalgischer Hintergrund für Trockenblumengestecke an die Wand gehängt. Keiner meiner drei Söhne hat „nach altem Brauch" zu Axt und Dechsel gegriffen. Sie haben die Berufe des Werkzeugmachers, Malers und Autoschlossers erlernt.



Quelle: Heimatland Lippe 4/1983   Autor: Heinz Wiemann


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